Extrem angenehm war, dass ich mich völlig frei auf der "KatharinaS" bewegen konnte. Ich konnte zu jeder Zeit auf die Brücke, in den Maschinenraum oder an Deck. Jeder war bei jeder Gelegenheit für mich ansprechbar. Wenn Manöver anstanden, z. B. Hafenansteuerung mit dem Lotsen oder während des Beladevorganges hab ich mich natürlich diskret zurückgehalten, um nicht zu stören. 

Der Stuhl im Foto oben war mein Beobachtungssitz. Hier habe ich viele Stunden gesessen und in die endlose Weite des Atlantiks geschaut. Langweilig? Keine Spur, auch wenn es eigentlich nicht so viel zu sehen gab. Aber die Bewegungen des Schiffes, die Veränderung der Farben des Wassers und des Himmels ließen mich herrlich abschalten und träumen. 

 

Der Erste Offizier hatte seine Wachen von acht bis zwölf Uhr und von zwanzig Uhr bis Mitternacht. Ich habe ihn abends sehr häufig bei seiner Wache begleitet und ließ mir den Arbeitsablauf und die Routinen genau erklären. Es ist irgendwie ein unheimliches Gefühl, so in die Dämmerung hineinzufahren. Vor allem wenn es stockdunkel ist, das Licht auf der Brücke gedimmt und auf Rot geschaltet ist, hat man in dem - äußert bequemen - Navigatorstuhl sitzend das Gefühl, sich in einem Raumschiff zu befinden. Ich fand es unbeschreiblich interessant und gleichzeitig aufregend. Der Erste Offizier hat das natürlich mittlerweile etwas abgeklärter wahrgenommen als ich.

 

Wie schon gesagt, all inclusive. Vormittags und nachmittags, wenn ich auf der Brücke war, hat der "Stewart" mir eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen gebracht. Ein toller Service. 

Silvesternacht um 24.00 Uhr hat der Kapitän die Freiwache auf die Brücke eingeladen, um auf das neue Jahr anzustoßen. Eine nette Geste, fand ich. Vorher war in der Mannschaftsmesse das Silvestermenü aufgefahren worden. Man hatte viel Spaß, vor allem beim Karaoke. Das durfte nicht fehlen und es war durchaus das eine oder andere Talent dabei. 

 

Der Kapitän (links), der Elektroingenieur (rechts) und ich haben uns beim Karaoke allerdings elegant aus der Affäre gezogen.

Ein Blick in die Kombüse. Nicht gerade sehr großzügig gebaut für die Aufgabe, für eine 20-Mann-Besatzung täglich zu vier Mahlzeiten zu kochen. Es gab sehr abwechslungsreiches Essen und immer mit frischen Salaten oder Gemüse. Logistisch sicherlich eine ziemliche Herausforderung. Man weiß ja, gemeutert wird auf Schiffen nur, wenn die Verpflegung nicht stimmt.

 

 

Die "Offiziersmesse". Hier speisen auch die Passagiere. Es wurde immer perfekt eingedeckt, aufgetragen und auch wieder abgedeckt. Der Koch war wirklich sehr gut, mit immerhin begrenzten Mitteln hat er uns immer satt bekommen. Auch Sonderwünsche waren drin: mal Pfannkuchen zum Mittag oder morgens ein Omelett mit Paprika und Pilzen.

Dennoch, die Malzeiten waren manchmal etwas stressig. Der Kapitän saß am linken Tisch und ich am rechten Tisch. Ich hätte mich sicherlich hinsetzen können wohin ich wollte. Aber wie das so ist bei den Menschen, sie sitzen am Liebsten immer am gleichen Platz. Die Bordsprache ist Englisch und nun darf ich behaupten, dass ich mich - gut, mit deutschem Akzent natürlich - aber dennoch recht passabel in dieser Sprache bewege. Und wenn der Kapitän zur gleichen Zeit in der Messe war, pflegte er Konversation mit mir. Er vom linken Tisch, ich vom rechten Tisch. Jetzt muss man wissen, dass überall auf dem Schiff, sofern es nicht die allerobersten Stockwerke des Aufbaus betrifft, ein ziemliches Grundrauschen herrscht. Die Maschinengeräusche sind überall mehr oder weniger laut zu hören. Und bei diesem Grundrauschen redet der Kapitän zwar grammatikalisch ein perfektes Englisch, aber seine Herkunft von den Philippinen ist nicht zu leugnen. Und er spricht gerne, nachdem er sich eine Kartoffel in den Mund geschoben hat. Diese drei Widrigkeiten zusammen machten es für mich sehr anstrengend, über die Sinnhaftigkeit von Investments in Schiffsfonds oder den Aufbau der deutschen Regierung zu diskutieren. Ich habe ihn teilweise schlichtweg nicht verstanden und gehofft, richtig erraten zu haben, worum es wohl gehen mag. Ich gebe zu, ich habe manchmal abgewartet mit meinem Essen, bis er fertig war und habe lieber oben auf der Brücke mit ihm diese bedeutenden Themen behandelt. 

Das Leben an Bord folgt klaren Routinen. Wache gehen, Wettermeldungen absetzen, Kartenarbeit, Logbuch. Auf der Brücke ist alles auf den Vier-Stunden-Rhythmus eingestellt. Die Mannschaft an Deck: Rost klopfen, Streichen, Salzkrusten abspülen, Fenster putzen, Sonderaufgaben. Unten in der Maschine ist es ähnlich, es gibt ein dickes Service-Manual, das permanent abzuarbeiten ist. Nur hin und wieder wird diese Bordroutine unterbrochen. Wenn etwas Besonderes anliegt, etwas Wichtiges, etwas, das nicht jeden Tag vorkommt. Und das können sein:

-  Übungen

-  Reparaturen

-  Feiern

Spannende und lehrreiche Vorgänge konnte ich da miterleben.

Es ist auf Handelsschiffen vorgeschrieben, regelmäßig bestimmte Übungen abzuhalten. Diese werden dann dokumentiert durch Fotos und Eintrag ins Logbuch und so eine Art Safety Register.

Die Übung 1 war Feuer im Maschinenraum und Evakuierung des Schiffes.

Eine dramatische Vorstellung. Die Übung beginnt mit dem Versammeln aller Besatzungsmitglieder auf der "Muster Station". Ein Besatzungsmitglied wurde dann in einen feuerabweisenden Asbestanzug verpackt. Hat ziemlich lange gedauert, bis er fertig montiert mit Feuerlöscher in der Hand vor dem Niedergang stand. So ganz ernst haben die Jungs das auch wohl nicht genommen, obwohl sich mehrere freiwillig für die Löschaktion gemeldet hatten. Aber im Ernstfall mag es wohl schneller gehen. Nachdem das Feuer wohl offensichtlich nicht gelöscht werden konnte, stand die Evakuierung des Schiffes mittels Rettungsboot auf dem Plan. 19 Menschen in dieser kleinen Sardinenbüchse, vom Achterdeck ins Wasser katapultiert und das bei Windstärke 12 stell ich mir schon sehr abenteuerlich vor. Ich halte mich zwar für sehr seefest, aber da würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen wollen. Auf jeden Fall hatten alle Spaß, ins Rettungsboot zu klettern. Beim Anblick des Chief Elektrikers (brauner Overall) hatte ich mir allerdings gefragt, ob die recht filigranen Stuhllehnen dem Gewicht beim Aufprall auf das Wasser wohl gewachsen wären. In weißer Montur ist übrigens der Erste Offizier. Instruiert wurde die Besatzung bei dieser Gelegenheit auch über die Funktionsweise der Rettungsinseln und des Bergekranes.

Der zweiten Übung einige Tage später lag folgendes Szenario zugrunde: Ausfall der Ruderanlage. Von der Brücke aus konnte die Ruderstellung nicht mehr beeinflusst werden. Also musste der Ruderquadrant direkt unten im Maschinenraum manuell bedient werden anhand von Funkkommandos von der Brücke. Das ist sehr interessiert von der Mannschaft verfolgt worden und jeder durfte mal kurz ran.

Auf einem so großen Schiff ist immer etwas zu reparieren, auszubessern oder zu ersetzen. Eine Reparaturaktion konnte ich live miterleben. Offensichtlich war ein elektronisches Gerät ausgefallen, das für die präzise Kompassanzeige notwendig ist. Nach der Fehlersuche im Schaltschrank wurde klar, der Übeltäter sitzt oben im Masttop. Und nun zeigte der Chief Elektriker athletische Klasse, die ich ihm gar nicht zugetraut hatte. Interessant waren auch die Manöverkreise, die wir fahren mussten, um die Richtungsanzeige zu kalibrieren. Schöne Zeichnungen im Fahrwasser.

Der dritte Grund von der Bordroutine abzuweichen ist das "gesellige Beisammensein" der Mannschaft. Damit keine Legenden geschaffen werden, neben der sehr gesitteten Silvesterfeier war diese die einzige Feierlichkeit, die auf der gesamten Reise inszeniert wurde. Es war eigentlich die Neujahrsfeier, die aber aufgrund des schlechten Wetters verschoben werden musste. Im Dezember grillen in der Biskaya ist ja auch nicht jedermanns Sache. Und als ich eines schönen Morgens aufs Deck schaute, waren die Vorbereitungen schon in vollem Gange, begleitet mit großer Vorfreude.

Nach stundenlangem Grillen der armen Sau wurde auf dem Achterdeck die Tafel hergerichtet. Und noch ein Grill mit Fleisch und Wurst war angefeuert worden. Es mangelte an nichts. Sogar die Eistorte zum Dessert war da.Die Freiwache war vollzählig angetreten, und nach und nach wurden zwischendurch auch die Kameraden zum Essenfassen abgelöst, die irgendwo Dienst hatten. 

Zufriedene und fröhliche Gesichter. Der Käpt'n weiß: so manche Meuterei begann mit schlechtem Essen.

-  Der Koch is(s)t für sich allein 

-  Der Chief-Elektriker tischt sich fröhlich ordentlich auf

-  Der Käpt'n scheint zu denken, lass es bald vorüber sein

-  Tolle Kombination mit dem Dessert

 

Zwischendurch wurde mal der Fernseher mit Musikvideos angestellt. Ich dachte schon, die Auswahl wäre zu meinen Ehren getroffen worden. Aber nein: die Filipinos sind wahre Fans von diesen beiden Typen.