Rumänienrundfahrt 20. Juni 2015 - 09. Juli 2015

 

Spricht man hierzulande über Rumänien, dann stößt man mitunter auf ganz abenteuerliche Vorstellungen und Vorbehalte gegen dieses Land. Gut, Graf Darcula kennt wohl jeder und vielleicht ist ja auch etwas Wahres daran. Doch darüber hinaus besteht dringender Korrekturbedarf. So wurde tatsächlich die Meinung geäußert, Rumänien sei ja islamisch geprägt und die Frauen liefen verschleiert herum. Bei fast 90% rumänisch-orthodoxer Bevölkerung spielen Moslems mit 0,3% Anteil nun gar keine Rolle. Außerdem gäbe es ja dort nur verarmte Dörfer und Landstraßen voller Pferdefuhrwerke. Keine Großstädte, alles marode und baufällig. Überall bettelnde und stehlende Zigeunerclans - so übrigens nennen sie sich dort selbst, nicht Roma. Wenngleich, so wird gerne behauptet, die meisten seien ja schon in Deutschland und trieben hier ihr Unwesen. Das Image von Rumänien bei uns ist sicherlich nicht das Beste und ich gebe zu, auch ich hatte so manch irrige Vorstellung. Und ja, es gibt sicherlich noch einen gewaltigen Renovierungsbedarf an Gebäuden und Infrastruktur, aber die Städte, die wir besucht haben, waren auf dem besten Wege, sich hübsch zu machen. Während in Deutschland städtische Gewerbegebiete nur zu häufig aus Ansammlungen schnöder, langweiliger und rechteckiger Lagerhallen und architektonisch einfältiger aber dafür praktischer Groß- und Baumärkte bestehen, ist alles, was in Rumänien dort neu entsteht mit sehr viel Leidenschaft für individuelle und teils wirklich spektakuläre Architektur geschaffen. Vergessen sollte man nicht, dass Rumänien nicht einmal 25 Jahre Zeit gehabt hat sich zu entwickeln, seit es sich vom Kommunismus und dem Despoten Ceausescu und seiner unsäglichen Frau befreien konnte. 

Am Ende des Besuches kann ich sagen, Rumänien ist eine Reise wert, es ist ein interessantes und - das möchte ich betonen - sicheres Reiseland. Sehr widersprüchlich zwar in seinem Erscheinungsbild, aber gerade das macht ja auch seinen Reiz aus, es ist halt - noch - nicht so Coca Cola-gestreamlined wie Nordeuropa. Rumänien ist ein sehr grünes Land, viele Wälder und Wiesen, teils hügelig und auch bergig und - das sollte man hervorheben - für Motorradfahrer sowohl Off- als auch Onroad ein Traum. Transfargarasan oder die Transforgarascher Hochstraße mit der Passhöhe von 2.042 mtr. leidet zwar etwas unter dem malträtierten Straßenbelag, aber manche Biker fahren sie gleich zwei oder drei Mal, wenn sie schon mal da sind - hab ich mir sagen lassen. Und zwischen den von uns besuchten Städten ganz viel freies Land, mit gerade mal 21 Mio. Einwohnern und 238.390 qkm Fläche kommt Rumänien auf 85 Einwohner per qkm. In Deutschland sind es immerhin fast 230. 

 

Das wollten wir uns mal genauer ansehen und haben eine Reiseroute geplant, die uns vom Tegernsee über Neusiedl am See in Österreich nach Timisoara, Sibiu, Sighisoara, Brasov, Balea Lac, Bukarest, Targu-Jiu, Bad Hercules und wieder nach Timisoara und von dort zurück nach Warngau geführt hat. Etwa 3.400 km insgesamt.

 

Unsere "Reisegruppe" waren unsere Freunde, Friedhelm und Traute K. aus Hamburg. Sowie Florentina, in Bukarest geboren, in Timisoara aufgewachsen und vor mehr als dreißig Jahren aus Rumänien ausgewiesen. Herr Ceausescu hat damals gegen harte Devisen politisch kritische Studenten an das westliche Ausland verkauft. Und so teilte sie das Schicksal mit hunderten anderen jungen Menschen, die Hals über Kopf das Land verlassen mussten, drei Tage Zeit, einen Koffer zu packen. Aber immer noch besser, als in den Fängen der Securitate zu enden, wie es so manchen Kommilitonen ergangen ist. Schlimme Zeiten damals. Aber Orts- und Sprachkenntnisse der "Dissidentin" haben uns heute sehr geholfen und Land und Leute auf eine sehr persönliche Art zugänglich gemacht.

 

Wer sich noch einen detaillierteren Eindruck von diesem interessanten Land machen möchte, dem seien Flo's Videos über die Reise empfohlen:


Part 1:   https://www.youtube.com/watch?v=u9zWwO3crcM

Part 2:   https://www.youtube.com/watch?v=4L7QUfX-gnE

Part 3:   https://www.youtube.com/watch?v=HyZyyjK5InI

Timisoara


Timisoara oder Temeschburg war der erste Stopp in Rumänien. Wir haben uns zwei Tage Zeit genommen, die Stadt oder zumindest das Zentrum von Timisoara zu erkunden. Mit ca. 320.000 Einwohnern ist sie zweitgrößte Stadt nach Bukarest und entsprechend umtriebig geht es dort zu. Timisoara ist Universitätsstadt und kulturelles Zentrum des  Banat. Die Gebäude im Zentrum erinnern an Städte der ehemaligen k.u.k.-Monarchie. Um1900 herum werden sie in voller Pracht gestanden haben und strahlen noch heute den Charme dieser vergangen Zeit aus. Wenngleich die Bausubstanz zwischenzeitlich sehr gelitten hat. Es wird an vielen Stellen renoviert, vermutlich nicht immer zum Vorteil der Bewohner. Der Mechanismus ist wahrscheinlich überall gleich: entmieten, sanieren, teuer wiedervermieten bzw. verkaufen. 

Fotografisch sind Bauruinen interessanter als Neubauten. Es soll deshalb jedoch nicht der Eindruck entstehen, die Städte bestünden nur aus maroder Bausubstanz. Ganz im Gegenteil. Aber vielleicht fühlt sich meine Kamera zu allem Morbiden mehr hingezogen als zu der heilen Welt nach dem Baugerüst.

 

Hier wird saniert und renoviert, früher oder später.

 

Straßenleben und Obstmarkt

 

Die Catedrala Mitropolitana, auch zur blauen Stunde.

Weiter ging es von Timisoara nach Sibiu. Auf der Fahrt dorthin sind wir auf ein Gartenhäusl ganz besonderer Art gestoßen:

Vor Sibiu haben wir noch einen Abstecher nach Alba Iulia gemacht, um uns die Festung mit der legendären Vereinigungskathedrale anzusehen. Ein imposantes Bauwerk und bedeutendstes Exponat der Militärarchitektur in Rumänien. Baubeginn war 1714 und komplette Fertigstellung erst Ende des gleichen Jahrhunderts. 


Sibiu - oder Hermannstadt

Sibiu oder Hermannstadt hat etwa 150.000 Einwohner, einen internationalen Flugplatz, sogar mit Direktflügen nach München und hat eine mittlerweile grundlegend sanierte und renovierte Altstadt. Darin lässt sich herrlich bummeln, da kein Auto das Schlendern stört. Nichts ist richtig aufregend, aber die Ruhe und gediegene Gelassenheit auf den großen Plätzen insbesondere der Oberstadt ist zumindest anregend. Nette Cafés, ein paar Galerien und Museen (Nationalmuseum Brukenthal) und eine evangelische Kirche, von deren Glockenturm man einen imposanten Blick auf die Dächerwelt von Sibiu hat. zwei Tage haben uns gereicht, um einfach mal die Zeit gemächlich verstreichen zu lassen.

Brasov - Kronstadt

Um es kurz zu machen, von der nächsten Station Sighisoara habe ich gar nichts und von der folgenden Station Brasov habe ich nur bedingt etwas mitbekommen. Ein ziemlich gemeiner Virus hat mich zwei Tage komplett und zwei Tage überwiegend aus dem Verkehr gezogen. 39° Fiber mit Schüttelfrost und sonstigen "Beschwerden" machen sich nicht so gut für einen Stadtbummel. Aber Dank Paracetamol, Propolis, Coca Cola und einigen Hühnersuppen ging es dann doch recht schnell wieder.

So blieb mir ein Tag in Brasov, auf deutsch als Kronstadt bekannt, den wir überwiegend mit einer Gondelfahrt auf die Tampa oder Hohe Zinne, ein fast 1.000 mtr. hoher Ausläufer der Südkarpaten, verbracht haben. Von dort oben hat man einen sehr guten Ausblick auf Brasov und das hügelige Umland. Anschließend gab es nach einem Bummel durch die touristisch geprägte Altstadt wieder eine herrliche Hühnersuppe!

 Die Hinrichtungsstätte ist in direkter Sichtachse zur orthodoxen Kirche Kirche platziert. Zufall oder ein weiteres Indiz für Zynismus und Menschenverachtung der Securitate. Hingerichtet wurde auf der "Bühnenplattform" übrigens nicht durch Erhängen, sondern durch quälendes Erdrosseln der Delinquenten. Die mittelalterliche Burganlage, die wir auf dem Weg von Brasov zur Transfagarasan in Fagaras besucht haben, hat seit Ihrer Errichtung im 13. Jahrhundert eine sehr wechselvolle Historie. Aber die bedrückendste Phase waren sicherlich die zwölf Jahre, die sie nach dem zweiten Weltkrieg als Gefängnis für politische Gefangene genutzt wurde. Es mag Einbildung sein, aber irgendwie ist in den Räumen und Mauern noch diese bedrückende Atmosphäre zu spüren, die mich überkommt, wenn ich über das traurige Schicksal der Inhaftierten lese. Meiner Meinung nach wird hier mit sehr viel Mut Vergangenheitsbewältigung versucht. 

Heute beherbergt die Burg neben den Gefängnistrakt ein Museum, das über die Geschichte und Kunst der Umgebung informiert.

Transfergaras - der Traum aller Motorradfahrer

 Die Transfagarasan oder Transfogarascher Hochstraße verbindet als ca. 90 Kilometer lange Gebirgsstraße die Walachei mit dem Olt-Tal in Siebenbürden. Baubeginn war im März 1970 und Fertigstellung im September 1974. Angeblich war der Grund den alten Forstweg auszubauen ein militärischer. Die neue Straße sollte schnelle Truppenbewegungen ermöglichen. Auch erhoffte man sich einen touristischen Nutzen. Ein wesentlicher Grund wird aber wohl gewesen sein, dass der Herr Ceausescu auf dem 2.042 m hoch gelegenen Pass direkt am Ufer des Balea Lac seine pompöse Jagdhütte errichtet hat. So war der Zugang komfortabler. Vor allem aber auch leichter zu kontrollieren und gegebenenfalls zu sperren. Vorne und hinten dicht machen und keiner kommt mehr rauf. Heute wird die Jagdhütte als Hotel betrieben. 

Die Hochstraße ist gleichsam beliebt bei Motorradfahrern und Mountainbikern. Für die Rennradfraktion mag der Straßenzustand streckenweise vielleicht etwas zu "holprig" sein. Das ist im Wesentlichen die Klientel für die beiden Hotels auf der Passhöhe. 

Balea See ist die Passhöhe des Transfagarasan. Wir haben uns im Hotel Cabana Balea Lac für drei Nächte eingebucht. Eine alte, ehrwürdige Cabana, keinerlei Luxus aber toll gelegen und es wird eine recht gute Küche geboten. Wir wollten ausgiebig wandern und den oberhalb auf 2.398 m gelegenen Berggrad der Karpaten, den Paltinu bezwingen. Leider hat uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht, es war so nebelig, dass wir kaum das Hotel finden konnten. Die Passhöhe ist überhaupt nur vier Monate im Jahr zugänglich und die Transfagarasan ist auch bekannt als "Straße in den Wolken". So haben wir dann den Aufenthalt auf zwei Tage verkürzt und haben so einen Tag für Bukarest gewonnen.

Bukarest

 Bukarest, das "Paris des Ostens" wie es einmal zu Recht genannt wurde, ist eine sehr interessante und lebendige Stadt. Fast zwei Millionen Einwohner, großzügig angelegt mit vielen Prachtboulevards, Grünanlagen und Seen. Kulturelles, künstlerisches und politisches Zentrum des Landes. 40 Museen, 11 Theater und sogar zwei Puppentheater böten Abwechslung für Wochen. Aber mit dreieinhalb Tagen Zeit sieht man natürlich einen winzigen Ausschnitt. Unser zentral gelegenes Hotel "Epoque Bukarest" hat es uns erlaubt, das Meiste fußläufig zu erreichen und wenn es mal etwas weiter war, haben wir ein Taxi genommen. Konkurrenzlos billig und gleichzeitig einen Nervenkitzel vermittelnd aufgrund des Fahrstils der Piloten. Aber irgendwie geht das wohl immer gut. Interessant war, dass alle Taxifahrer sehr gesprächig waren, mit entsprechender Auswirkung auf den Fahrstil natürlich. Und alle waren stolz auf ihre Stadt und wie schnell und schön sie sich entwickeln würde. Dem kann ich nur zustimmen. Überhaupt, es ist eine sehr entspannte Atmosphäre in der Stadt, freundliche, aufgeschlossene Menschen, sehr international und bunt. 

 Viele Fassaden warten noch auf ihre Sanierung. Es würde schneller gehen, Investoren sind vorhanden, allein es fehlen die Handwerker. Das war die jeweilige Antwort, wenn wir mit Bukarestern über ihre Stadt gesprochen haben. Man bemüht sich darüber hinaus, die Gebäude zu erhalten und nicht abzureißen und neu zu bauen. Was in vielen Fällen wahrscheinlich die wirtschaftlich sinnvollere Lösung wäre. Es ist sehr begrüßenswert, das Stadtbild mit den wunderschönen Fassaden zu erhalten, wenngleich sich Neu und Alt überwiegend sehr gediegen zueinander fügt. Begrüßenswert ist diese Haltung auch deshalb, weil Bukarest mit dem Abriss von Gebäuden reichlich Erfahrung hat. Herr Ceausescu hat ganze historische Stadtviertel niederreissen lassen, um sie mit Wohnblocks in seinem geliebten Zuckerbäckerstil zuzupflastern.